Montag, 30. Mai 2011

Zabrze

29.5.2011

Nach Kattowitz am Vormittag wurde am Nachmittag das unweit gelegene Zabrze besucht, wo ebenfalls ein Fußballspiel anstand.
In der Industrie- und Bergbaustadt Zabrze leben heute 187.000 Menschen. Bis zum Zweiten Weltkrieg gehörte die oberschlesische Stadt zum Deutschen Reich, wobei sie hier von 1915 bis 1946 nach dem deutschen Feldherren des Ersten Weltkriegs Paul Hindenburg „Hindenburg O.S.“ (O.S. für Oberschlesien) hieß. Erst 1915 waren mehrere Dörfer zu einer neuen Gemeinde zusammengelegt worden, die dann 1922 zur Stadt erhoben wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Stadt zu Polen.

Die Josephskirche (Kościół św. Józefa) aus den Jahren 1930/31 beeindruckt mit markanter expressionistischer Architektur. Dem mächtigen Kubus ist ein durch Bögen abgetrennter Hof vorgelagert.


Der 1925 bis 1927 erbaute „Admiralspalast“ ist ein weiteres Beispiel expressionistischer Architektur, früher ein Hotel und heute großteils leerstehend. Beim Ausheben der Baugrube entdeckte man einen Bergwerksstollen unterhalb des Grundstücks, sodaß das Haus zur Sicherheit auf einer 2,5 Meter dicken Eisenbetonplatte gebaut wurde.


Als junger Industriestadt sind die klassischen Sehenswürdigkeiten rar gesät. Aber es gibt durchaus nette Straßenzüge wie der Boulevard der ulica Wolności, der früheren „Kronprinzenstraße“.


Das alte Jahrhundertwendegebäude der Hauptpost (Poczta Główna) gegenüber des Bahnhofs.

Kattowitz

29.5.2011

Erste Station des Wochenendes war das polnische Katowice, Zentrum des oberschlesischen Steinkohlebeckens mit 310.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Die Bergbautradition sieht man hier in der Region an den Fördertürmen. Doch auch die Fußballtradition ist hier stark vertreten, in Kattowitz wurde ein Spiel besucht. Heute ist die Stadt auch ein wichtiger Universitätsstandort.

Das 1967 errichtete Denkmal für die drei schlesische Aufstände 1919, 1920 und 1921 (Pomnik Powstańców Śląskich). Es stellt sie in Form von drei Flügeln dar. Das gemischtsprachige polnisch-deutsche Gebiet Schlesiens war bis 1918 Teil des Deutschen Reichs und nach dem Ersten Weltkrieg zwischen Deutschland und dem neugegründeten Polen umstritten. Es gab Terror und Gegenterror. In drei Aufständen wurde versucht, den Anschluß an Polen zu erreichen, was monatelangen heftigen Bürgerkrieg mit tausenden Toten zur Folge hatte. Nach Volksabstimmung und Einbeziehung der Alliierten wurde das Gebiet geteilt, Kattowitz kam 1922 endgültig zu Polen.


Das 1907 eröffnete Schlesische Theater (Teatr Śląski im. Stanisława Wyspiańskiego), zunächst deutsches und nach 1918 polnisches Stadttheater. Die meisten Gründerzeithäuser am Marktplatz ringsum wurden in der Nachkriegszeit durch zeittypische Neubauten ersetzt (der südliche Teil war 1945 zerstört).


Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht am 3. September 1939 wurde die Große Synagoge am 8. September niedergebrannt. Heute steht an ihrer Stelle, am Plac Synagogi (Synagogenplatz) ein 1988 errichtetes Denkmal für die von den Nazis ermordeten 8.000 Jüdinnen und Juden von Kattowitz.


Der alte Jugendstilbahnhof, der in den 1970er Jahren stillgelegt und durch einen Neubau ersetzt wurde. Das zur Zeit seiner Errichtung bereits dritte Bahnhofsgebäude ist ein Zeichen der Zeit, als ab Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Entwicklung von Industrie und Bergbau aus mehreren kleinen Dörfern in wenigen Jahrzehnten die Großstadt Kattowitz entstand.


Die ulica Mariacka mit schönem Blick auf die Marienkirche (Kościół Mariacki) aus den Jahren 1862−1870, einer der ältesten Kirchen der Stadt.


Das nenne ich Graffiti!


Das Gebäude der ehemaligen preußischen Königlichen Baugewerbeschule, heute die Musikakademie (Akademia Muzyczna). Vor der Fertigstellung des Parlamentsgebäudes tagte hier das Schlesische Parlament.


Das 1925−1929 errichtete Gebäude des ehemaligen Schlesischen Parlaments (Sejm Śląski), in dem das von 1920 bis 1939 bestehende Parlament der Autonomen Woiwodschaft Schlesien tagte. Heute das Amtsgebäude der Woiwodschaft.
Ein in seinen großen Dimensionen wuchtiger Bau, der die neue Hauptstadt des neuen Autonomen Schlesiens im neuen Polen der Zwischenkriegszeit repräsentieren sollte. Am Sonntag leider geschlossen, denn innen gibt es einen der nur mehr vier bestehenden Paternoster in Polen zu sehen.


Das 1930−1932 fertiggstellte Hochhaus Drapacz Chmur („Wolkenkratzer“) war das erste seiner Art in Polen. Das 60 Meter hohe Gebäude war bis 1955 das höchste Haus des Landes.


In einem Jugendstilhaus einer Seitengasse befindet sich das Muzeum Historii Katowic. Die Ausstellung zur Stadtgeschichte von Kattowitz zeigt viele schöne Stücke und Originaldokumente. Leider ist die Beschriftung aber nur in polnisch. Interessant ist weiters die Präsentation zweier Wohnungen über ein gesamtes Stockwerk des Hauses. Samt (teilweise liebevoller) Einrichtung sind eine großbürgerliche und eine mittelständisch-bürgerliche Kattowitzer Wohnung um 1900 zu sehen. Vor allem in der großbürgerlichen Wohnung wird man von der dargebotenen Pracht etwas überwältigt. Ein kleiner Blick auf die Lebensumstände von Dienstbotinnen oder Arbeitern hätte darüber hinaus nicht geschadet.


Am Nachmittag ging es weiter nach Zabrze.

Montag, 16. Mai 2011

Ingolstadt

15.5.2011

In die oberbayrische Donaustadt Ingolstadt führte der Besuch eines Fußballspiels. 125.000 Menschen leben hier.

Aufgrund der strategischen Lage an der Donau war Ingolstadt seit dem Mittelalter ein militärischer Hotspot und wurde stark befestigt. Hier das Kreuztor, Torturm der Stadtmauer aus dem späten 14. Jahrhundert. Von 1363 bis 1430 wurde eine drei Kilometer lange Stadtmauer mit allerlei Verteidigungsanlagen in Ziegelbauweise errichtet.


Im Pfründnerhaus hatte die 1472 gegründete erste bayrische Universität ihren Sitz. Neben der militärischen Bedeutung machte die Hohe Schule Ingolstadt auch zu einem geistigen und kulturellen Zentrum, insbesondere in der katholischen Gegenreformation (1549 kamen die Jesuiten hierher). 1800 wurde die Universität nach Landshut und 1826 von dort schließlich nach München verlegt.


Am Rathausplatz hat man den Blick auf gleich zwei Rathäuser. Links das (eingerüstete) Alte Rathaus mit Kern aus dem 14.Jh., das 1882 im Stil der Neorenaissance gestaltet wurde. Rechts der Nachkriegsbau des Neuen Rathauses mit moderner Fassadengestaltung. Im Hintergrund des Alten Rathauses erheben sich links der gotische Pfeifturm, der ehemalige städtische Wachtum, sowie rechts der (ebenfalls eingerüstete) romanische Kirchturm der St. Moritzkirche.


Der Herzogskasten, Palas der mittelalterlichen Burganlage und ehemaliges Herzogsschloß aus dem 13. Jahrhundert. Der älteste Profanbau der Stadt.


Blick in die Fußgängerzone der Altstadt, die Hieronymusgasse.


Das Neue Schloß aus dem 15. Jahrhundert erhebt sich am Rand der Altstadt. Von 1392 bis 1447 war Ingolstadt Hauptstadt des souveränen Herzogtums Bayern-Ingolstadt, bis die Teilung Bayerns rückgängig gemacht wurde.


Blick vom gegenüberliegenden Donauufer auf die Altstadt.


Auf gegenüberliegenden Seite der Donau liegen die besterhaltenen Teile der in klassizistischem Stil gehaltenen umfangreichen Festungsbauten, die von 1828 bis 1848 vom Königreich Bayern aufwändig errichtet wurden, nachdem die alten Anlagen 1799 von französischen Truppen geschleift worden waren. Hier das Reduit Tilly, benannt nach dem kaiserlichen Feldherrn des Dreißigjährigen Krieges Tilly, der 1632 in Ingolstadt an einer Verwundung gestorben war. Das halbkreisförmige Reduit sollte im Kriegsfall der Rückzugsort der königlichen Familie sein.


Versteckt im Luitpoldpark, nicht ausgeschildert und schwer zu finden, liegt ein geschichtspolitisch interessantes Ensemble von Erinnerungsorten. In den 1920er Jahren wurde hier ein Kriegerdenkmal errichten. 1998 wurde die Anlage durch die Künstlerin Dagmar Pachtner umgestaltet. Neben Wegweisern fehlen hier leider auch Informationstafeln.
Neben militärhistorischen Denkmälern, wie den an Grabplatten erinnernden Bodentafeln, die an die Toten diverser Regimenter aus Ersten und Zweitem Weltkrieg erinnern, steht u.a. auch ein 1968 (!) errichtetes Relief für die Toten des deutschen Ostens 1945. Die unkritische Erinnerung wird gebrochen durch eine 1998 den Liegesteinen hinzugefügte Platte für die jüdischen deutschen Soldaten des Ersten Weltkriegs, die dann vom Naziregime verfolgt wurden sowie durch eine Installation von blauen Stelen, die an Opfer des Naziterror und Holocaust erinnert. Die Stelen zeigen Bilder einzelner NS-Opfer, wie z.B. einer Ingolstädter Bürgerin, die zwangssterilisiert wurde.


Mittwoch, 11. Mai 2011

Blätter, April 2011




Blätter für deutsche und internationale Politik
Heft 4/2011
128 S.







Dominic Johnson beschäftigt sich in seinem Artikel Das neue Afrika mit der europäischen Sicht des Kolonialismus auf Afrika und dessen Aufstieg, der dem asiatischen Modell folgt. So wird das Bild von afrikanischen Löwen nach dem Vorbild der asiatischen Tiger-Staaten gebraucht. Johnson beschreibt eine neue afrikanische Bourgeoisie, die politisch konventionell, aber gesellschaftlich und wirtschaftlich innovativ die Modernisierung vorantreibe.
Weiters gibt es im Heft Interessantes zum Verständnis von Berlusconi-Italien und zur politischen Lage in Irland.

Montag, 9. Mai 2011

Zwentendorf

8.5.2011

Hoch ist es, das Kernkraftwerk Zwentendorf. Bedrohlich wirkt es aber nicht. Nachdem die Volksabstimmung 1978 gegen eine Inbetriebnahme entschieden hatte, steht es leer. Die Bürogebäude wurden zur Gendarmerieausbildung benutzt und beherbergen derzeit die Volksschule des Ortes. Neben dem Reaktorblock erzeugt eine Solarenergieanlage Strom.


Wenn ich ehrlich bin, finde ich es gut, daß hier Ausflugschiffe am Kraftwerk vorbei die Donau Richtung Wien fahren und nicht gebrauchtes Kühlwasser des Reaktors denselben Weg nimmt.


Besucht wurde zuvor ein Spiel des örtlichen Fußballvereins. Er heißt SV „Blaue Donau“ Zwentendorf.

Samstag, 7. Mai 2011

Datum 5/11




Datum
5/2011
98 S.







Immer wieder herausstreichen möchte ich die Rubrik Ökonometer, in der vielfältige Berufe vorgestellt werden. Als überzeugter Stadtmensch und Nicht- bzw. Passivsportler erfährt man so z.B. über jemanden, der davon lebt, im Sommer am Neusiedlersee zu segeln und im Winter in den Bergen Schi zu fahren bzw. dies Leuten zu lehren, die das aus mir unbegreiflichen Gründen lernen wollen. Diese Seite ist stets die erste, die ich im Heft lese, da sie jedesmal ein Eintauchen in exotische Welten gewährt.

Sonst gibt es im Heft gute Reportagen über die österreichischen Bundesheersoldaten in der Vorbereitung eines allfälligen Einsatzes in Libyen, über das Leben eines jugendlichen Amokläufers danach und eine Bibliographin historischer Kinderbücher.

Montag, 2. Mai 2011

Budapest

30.4.2011

Die für mich interessantesten Sehenswürdigkeiten der ungarischen Hauptstadt wurden bereits bei meinem letzten Besuch im Herbst besichtigt. Diesmal stand eine speziellere Erkundung an, nämlich einer Art History-Disney-Land des 19. Jahrhunderts. Anlaß des Ausflugs hierher waren zwei Fußballspiele, eines am Nachmittag und eines am Abend. Davor auch noch die Besichtigung eines historischen Stadions und das Kulturprogramm füllten einen schönen Tag.

Am Ende der Andrássy út, die von der Pester Innenstadt hinaus führt, liegt das pompöse Ensemble des Heldenplatzes (Hősök tere). 1896 wurde in Ungarn unter nationalistischen Vorzeichen groß das Millennium von tausend Jahren seit der ungarischen Landnahme im Jahr 896 gefeiert. Diese Jahr wurde dafür mehr oder weniger willkürlich bestimmt. Die Errichtung des Heldenplatzes, das diese Geschichte symbolisieren sollte, hinkte allerdings dem Zeitplan hinterher. Erst über dreißig Jahre später, im Jahr 1929, wurde der Ort fertiggestellt. Zwei Jahrzehnte später wurde das zentrale Denkmal im kommunistischen Regime dann noch einmal verändert und die Statuten habsburgischer Könige durch Nationalheroen ersetzt.
In der Mitte des Platzes steht eine 36 Meter hohe Säule, auf der eine Figur des Erzengels Gabriel mit der Stephanskrone steht. Am Fuß der Säule und ringsum in Kolonnaden stehen Statuen von Gestalten der ungarischen Nationalgeschichte. Am linken Rand des Platzes ist das Museum der Bildenen Künste (Szépművészeti Múzeum, 1900−1906) und am rechten Rand die Kunsthalle (Műcsarnok, 1895/96) zu sehen.


Am Fuß der Säule stehen martialische Bronzestatuen mittelalterlicher Fürsten in phantasievollen Gewändern. Man hat sich das um 1900 als authentisch vorgestellt, heute wirken die Gestalten wie aus einem Fantasyfilm entsprungen.


Im Stadtwäldchen (Városliget) hinter dem Heldenplatz wurde zur Millenniumsausstellung 1896 als Attraktion eine künstliche Burg aus Holz errichtet. Dies gefiel so sehr, das die Konstruktion danach in Stein gebaut wurde.


Die Burg Vajdahunyad soll verschiedene Baustile darstellen und spielt dabei alle Stückerln an Romantik oder Kitsch, je nach Gusto, die man sich vorstellen kann.


Im Innenhof, Blick auf den Burgteil in gotischem Stil.


Die Romanik ist durch die katholische Jáker-Kapelle vertreten, Portal und Kreuzgang − alles da.


Einen ziemlichen zeitlichen Sprung gibt es nun, da im weiteren Verlauf des Burghofs unvermittelt ein Flügel in bestem Rokoko (18.Jh.) steht.


Ein wahres History-Disney-Land, das hier im Fin de siècle errichtet wurde.