Montag, 29. April 2013

Gabčíkovo

28.4.2013

Im Süden der Slowakei, auf der Großen Schüttinsel, wo man hauptsächlich ungarisch spricht, liegt Gabčíkovo, wohin ein Fußballspiel führte. Auf ungarisch heißt der Ort Bős und auch slowakisch hieß er bis 1948 davon abgeleitet Beš. 1948 wurde die Gemeinde nach dem Slowaken Jozef Gabčík benannt. Er war einer der beiden Widerstandskämpfer, die 1942 ein erfolgreiches Attentat auf den SS-Führer, Kriegsverbrecher und Holocaust-Organisator Reinhard Heydrich in Prag verübten. Von den deutschen Besatzungssoldaten wurden in Folge die Bevölkerung in zwei willkürlich ausgewählten böhmischen Dörfern vom Kind bis zum Greis massakriert oder ins KZ deportiert sowie in den nächsten Monaten hunderte Menschen hingerichtet, insgesamt über 3.000 im Sommer 1942 im besetzten Tschechien.

An der Donau liegt das berühmte Wasserkraftwerk Gabčíkovo. Es wurde nach großen Überschwemmungen des Gebiets in den 1950ern und 1960ern als gemeinsames Projekt von Ungarn und der Tschechoslowakei geplant, mit zwei Staustufensystem eben hier in Gabčíkovo und weiter stromabwärts im ungarischen Nagymaros. In Ungarn entstand aber in den 1980er Jahren eine aufsehenerregende Protestbewegung gegen die Umweltzerstörung und mögliche Gefährdung des Budapester Trinkwassers durch das gigantische Projekt. Die Proteste waren ein wichtiger Teil der Oppositionsbewegung gegen das kommunistische Regime. Im Zuge der Wende 1989 zog sich Ungarn zurück, während die Tschechoslowakei und später die Slowakei ihren Teil fertigbaute.


Treibgut an der Staumauer


auf der Staumauer


Übersichtsplan


Rast- und Aussichtsplatz


die aufgestaute Donau


Staumauer


ein Schiff fährt in die Schleuse




Die ursprünglich im 14.Jh errichtete und schließlich 1770 im heute zu sehenden barocken Gepräge umgebaute Pfarrkirche.


Das Rathaus mit Weltkriegsdenkmal.


Vor dem Rathaus stehen zwei Steinsäulen. Auf einer stehen die Namen der im Zweiten Weltkrieg getöteten Soldaten, am anderen Stein stehen bemerkenswerterweise die Namen der umgebrachten jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner, „in Erinnerung an die Opfer des Holocausts“.



Der Hauptplatz mit dem Namen „Dreifaltigkeitsplatz“, ungarisch Szentháromság tér und slowakisch Námestie svätej Trojice. Alles ist hier durchgehend zweisprachig beschriftet. Von den rund 5.300 Einwohnerinnen und Einwohnern sind fast 90 Prozent ungarisch.


Das allgegenwärtige Zeichen der kommunistischen Ära: Das Kulturzentrum im Geschmack der 60er/70er Jahre.


Das auf eine Burg des 15. Jh. zurückgehende Schloß, im 17.Jh. zu einem Renaissancepalast und in der zweiten Hälfte des 18.Jh. zu seinem heutigen barocken Aussehen umgebaut. Hier residierte die über die Gegend vom 13.Jh. bis zur Aufhebung der Leibeigenschaft 1848 herrschende Adelsfamilie Amade.

Donnerstag, 25. April 2013

Datum 3/2013



Datum
3/2013
98 S.








Man möchte die Ungerechtigkeit der Welt und die Unhaltbarkeit des Kapitalismus laut hinausschreien, wenn man Geschichten wie derjenigen von Toni Keppeler und Cecibel Romero liest. Über die 24.000 (!) Zuckerrohrplantagenarbeiter, die in wenigen Jahren an chronischem Nierenversagen in der Blüte ihres Lebens eine furchtbaren Tod starben. Es liegt wahrscheinlich an einem Unkrautvertilgungsmittel, das ist Europa schon verboten ist. „In Chichigalpa, einem 40.000-Einwohner-Städtchen in der pazifischen Küstenebene Nicaraguas, kennt jedes Kind den Begriff Kreatinin. Kaum jemand weiß so rechtm was das ist, aber alle wissen: Man stirbt daran, Täglich sind es mindestens zwei oder drei, im vergangenen Jahrzehnt mehr als 7.000. Alle waren sie beim größten Arbeitgeber des Ortes beschäftigt, der Nicaragua Sugar Estate Limited, die dort die Zuckerfabrik San Antonio und die Brennerei Flor de Caña betreibt, aus der einer der besten Rums der Welt kommt.“

Sonntag, 21. April 2013

Breitenbrunn am Neusiedler See

20.4.2013

In der Pause des hiesigen Fußballspiels, das der Anlaß des Besuchs war, gab es einen kleinen Spaziergang über die Hauptstraße des Orts, in dem rund 1.900 Menschen leben.

Blick über die Eisenstädter Straße


Das Ortsbild wird vom großen Wehrturm dominiert. Mit dem Turmbau wurde im 13.Jh. begonnen, er diente zunächst als Wohnturm der hier herrschenden Adelsfamilie. Im 14.Jh. wurde er zum militärischen Wehrturm ausgebaut und erhielt im kriegerischen 16./17.Jh. den Namen Türkenturm. Da hier auch Gericht gehalten wurde hieß der Turm auch Prangerturm. Heute ist darin ein Museum.

Montag, 15. April 2013

Vráble

14.4.2013

In die westslowakische Stadt Vráble (ungarisch Verebély) ging es zu einem Fußballspiel. Rund 9.000 Menschen leben hier. Heute ist die Stadt zu 93% slowakisch und nur mehr knapp unter 5% gehören zur ungarischen Minderheit. Vor dem Zweiten Weltkrieg war dies noch anders. 1910 waren von den 2.845 Einwohnerinnen und Einwohner 53% ungarisch und 43% slowakisch. 1919 wurde hier zwischen der tschechoslowakischen Armee und der ungarischen Roten Armee gekämpft.

Die zum Kirchplatz (Kostolné námestie) führende Hauptstraße (Hlavná ulica). Bis ins 20.Jh. war dies ein landwirtschaftlich geprägter Ort, die niedrigen Altbauten der Hauptstraße erzählen von einem einfachen pannonischen Straßendorf. Abseits davon stehen die Nachkriegsbauten und Stadtrand-Supermärkte der modernen Stadt.


Die neoromanische katholische Pfarrkirche wurde zwischen 1898 und 1901 anstelle einer spätgotischen Vorgängerkirche errichtet. Bemerkenswert ist der schiefe Turm, er neigt sich um eineinhalb Meter.



Der jüdische Friedhof ist das letzte sichtbare Zeichen der einstigen jüdischen Gemeinde nachdem die 1872 eingeweihte Synagoge in den 1970er Jahren abgerissen worden ist. 1725 wurde zum ersten Mal eine jüdische Bevölkerung in Vráble erwähnt. Ab 1837 lebte hier erst eine Familie und dann eine Gemeinde. 1938 wurde auch Vráble an Horthy-Ungarn angegliedert. 1944 wurden die Jüdinnen und Juden nach der deutschen Besetzung ins KZ deportiert, von den 280 Menschen überlebten nur 80. 1949 emigrierten die 40 letzten wieder in Vráble Lebenden nach Israel. Die letzte Beerdigung fand hier 1969 statt.


Es stehen noch viele Grabsteine über den Gräbern. Viele auf deutsch, der Hauptsprache der damaligen jüdischen Gemeinde. An diesem Grabstein brachte die Familie Spitzer am Fuß in slowakischer Sprache eine Gedenkinschrift für die 1944 in Auschwitz umgebrachten Familienmitglieder an.


Der alte jüdische Friedhof liegt heute in Hinterhöfen einer Einfamilienhaussiedlung. Straßenseitig stehen nur mehr einzelne Grabsteine oder liegen bereits am Boden. Betonteile liegen herum. Anscheinend wird dieser Teil planiert und anderer Verwendung zugeführt.



Denkmal für die Opfer des großen tschechoslowakeiweiten Dezemberstreiks 1920, der sich gegen die wirtschaftliche Not richtete und revolutionäre Ausmaße annahm. Der Streik wurde blutig niedergeschlagen. Auch in Vráble wurde von einem Aufgebot von Gendarmen und Soldaten auf die streikenden Arbeiterinnen und Arbeiter geschossen. Drei von ihnen wurden getötet, 20 verletzt, 50 verhaftet.

Sonntag, 7. April 2013

Lustenau

5.4.2013

Im Vorarlberger Lustenau leben 21.000 Menschen, dennoch ist es keine Stadt, sondern nur eine Marktgemeinde (die größte Österreichs). Trotz einer bis ins 9.Jh. zurückreichenden Geschichte als Reichshof (bis 1806) gibt es kein historisches Zentrum und abseits von Kirchen aus dem späten 19. und frühen 20. Jh. auch keine touristisch sehenswerten Bauten. Zweck des Besuchs war ein Fußballspiel.

Der Kirchplatz ist am ehesten als Hauptplatz definierbar. Die historische Bausubstanz aus Bürger- und Gasthäusern, die sich hier entwickelt hatte, wurde aus alemannisch-nüchterner Zweckmäßigkeitserwägung in 1950er/60er Jahren abgerissen. Heute säumen den Platz ein Veranstaltungszentrum Reichshofsaal und ein Einkaufszentrum.
Die meiste Zeit seit 1900 wurde Lustenau von Bürgermeistern aus dem deutschnational-freiheitlichen Lager regiert, zuletzt von 1960 bis 2010 von der FPÖ. 1998 wurde der Platz für die stolze Summe von 1,8 Mio. Euro umgestaltet und zum Blauen Platz eingefärbt. Das hatte natürlich nichts mit dem FPÖ-Regiment in der Stadt zu tun. Eine Volksabstimmung ging zwar dagegen aus, da waren die Arbeiten aber schon in Gang und wurden nicht mehr gestoppt.



Auffällig ist eine größere Anzahl von Jahrhundertwendevillen.


Lustenau liegt am Rhein, der hier die Staatsgrenze bildet. Am linken Ufer ist die Schweiz.

Dienstag, 2. April 2013

Wolkersdorf im Weinviertel

1.4.2013

6.740 Menschen leben in der Weinviertler Kleinstadt Wolkersdorf. Für den Besuch eines Fußballspiels gesellte auch ich mich für ein paar Stunden dazu und spazierte ein wenig durch den Ort.

Das Schloß Wolkersdorf wurde ursprünglich im 12.Jh. errichtet. Mauern des 13.Jh. sind an der Außenseite und den Turmuntergeschoßen erhalten. Das Wasserschloß wurde im Lauf der Jahrhunderte mehrmals umgebaut, zuletzt Anfang des 18.Jh. Das heutige barocke Antlitz mit der zweitürmigen Hauptfassade stammt aus dem Umbau zum Jagdschloß für Kaiser Karl VI. 1706. In den 1960er Jahren wurden Wirtschaftsgebäude abgerissen und der Schloßteich weitgehend trockengelegt.




Am Kirchenplatz steht ein herrliches Relief aus dem 13.Jh., an dem viele Details zu bewundern sind.


Die katholische Pfarrkirche mit gotischem Chor aus dem 14.Jh. (rechter Gebäudeteil) und barockem Ausbau aus dem 18.Jh. Aus dem Jahr 1727 stammt der von Heiligenstatuen gesäumte Stiegenaufgang zur Kirche.


Im Inneren (1727, Hochaltar von 1768) fällt vor allem der große Doppeladler mit dem Schriftzug Kaiser Karls VI. über dem Chor auf. Sinnbildlich für die Funktion der katholischen Kirche zur Erhaltung und Propagierung der weltlichen Macht der Habsburger.


In einem spannenden Projekt wurden vor wenigen Jahren von der Initiative Wolkersdorf 1938 die Biographien und Schicksale der von den Nazis vertriebenen ehemaligen jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner Wolkersdorfs recherchiert und ein Erinnerungsweg erstellt. Hier etwa war bis 1938 Josef Lamm als Rechtsanwalt tätig. Im November 1938 wird er ins KZ Dachau deportiert. Er wird noch freigelassen und im Jänner 1939 gelingt ihm gemeinsam mit seiner Frau die Flucht nach Palästina. In Israel wird er Parlamentsabgeordneter, Richter und Universitätsprofessor. Von 1955 bis 1959 war er Präsident des israelischen Fußballverbandes.


Blick in die Hauptstraße


Die 1890 eingeweihte neugotisch-neuromanische Lourdeskapelle. 1909 wurde die Kapelle erweitert und der Turm hinzugefügt, wie an der am gegenüberliegenden Flußufer stehenden Bildtafel gut zu sehen ist. Sie zeigt eine Ansicht aus dem Jahr 1900.